Kommentar Ein Grappa in der Espresso-Bar ist besser als zwinglianische Vorschriften: Gut, mistet der Bundesrat die Covid-Verordnung aus So rund das Krisenmanagement des Bundesrates lief: Es sind Wirtschaft und Kultur, die das Land in der Krise vor Lethargie und Freudlosigkeit bewahrt haben. Es ist höchste Zeit, dass die ausserordentliche Lage nun endet. Daniel ..... 7 Kommentare 19.06.2020, 15.25 Uhr Drucken Teilen Der Streit um die angebliche Ungleichbehandlung von Nachtschwärmern und Demonstranten bei der Bildung von Ansammlungen hat gezeigt, wie sehr die Rückkehr zur politischen Normalität an Tempo gewonnen hat. Der Streit um die angebliche Ungleichbehandlung von Nachtschwärmern und Demonstranten bei der Bildung von Ansammlungen hat gezeigt, wie sehr die Rückkehr zur politischen Normalität an Tempo gewonnen hat. Valentin Flauraud / KEYSTONE Die ersten Lockerungsvorschriften in der zentralen Covid-Verordnung des Bundes für Restaurants lasen sich wie eine Ansammlung von Gemütlichkeits-Killern: «Die Gästegruppen müssen an den einzelnen Tischen platziert» werden, und zwar so, «dass die Empfehlungen des BAG betreffend soziale Distanz zwischen den Gruppen eingehalten werden». Die «Konsumationen dürfen ausschliesslich sitzend erfolgen», ab Mitternacht ist ohnehin fertig lustig. Ein Wunder, dass in den Gaststuben trotz dem ausufernden Schutzkonzept-Korsett Stimmung aufgekommen ist. Doch gerne bleibt man nach dem Menu noch eine Viertelstunde sitzen, bestellt einen Espresso, vielleicht gar einen zweiten – diesmal mit Grappa. Ganz abgesehen davon, dass wir uns mehr und mehr an das Leben mit dem Virus gewöhnen: Das zeigt, wie gut viele Wirte ihr Geschäft auch unter schwierigen Umständen verstehen. Das Bemühen ist bewundernswert. Mancherorts sind die Plexiglasscheiben so gekonnt ins Interieur integriert, dass sie nach kurzer Zeit kaum mehr wahrgenommen werden. Der in Corona-Zeiten sozialadäquat gewordene Abstand von zwei Armlängen ist Personal und Gästen längst in Fleisch und Blut übergegangen. Da und dort wird zum Wohl der Gäste das Angebot auf der Terrasse ausgebaut – Corona-konform und attraktiv. Fehlt nur noch das warme Wetter für den perfekten Sommerabend. Letztlich sind es Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft, die seit Monaten dafür sorgen, dass das Land trotz der lebensbedrohlichen Pandemie und trotz allen Vorsichtsmassnahmen nicht in Lethargie und Freudlosigkeit versunken ist. So berechtigt das Lob für das Krisenmanagement des Bundesrates ist: Gut, dass die «ausserordentliche Lage» am Freitag endet und der Bundesrat das Leben weitgehend normalisiert. Der Schritt steht für weit mehr als für Entspannung an der epidemiologischen Front. Er bedeutet eine Entschleunigung und Dezentralisierung des Krisenmanagements. Streng juristisch gesehen müssen in der nun beginnenden «besonderen Lage» vor allem die Kantone stärker einbezogen werden. Doch weil der Ausstieg aus dem Notrecht schwieriger wird als der Einstieg, stehen in Wahrheit alle in der Pflicht. Es ist deshalb ermutigend, dass das politische und gesellschaftliche Seilziehen wieder an Bedeutung gewinnt. Der Bundesrat tat sich lange schwer damit, auf «locker» zu schalten, nachdem er drei Monate zuvor für seine Unentschlossenheit bei der Verhängung des Lockdowns kritisiert worden war. Doch der Streit um die angebliche Ungleichbehandlung von Nachtschwärmern und Demonstranten bei der Bildung von Ansammlungen hat gezeigt, wie sehr die Rückkehr zur politischen Normalität an Tempo gewonnen hat. Die Steuerung aus dem Bundesratszimmer versagte in dieser Phase mehr und mehr. Zu Recht haben die kantonalen Sicherheitsdirektoren schon vor Wochen davor gewarnt, Demo-Vorschriften zu erlassen, die sich mit vernünftigen Mitteln nicht durchsetzen lassen. Auch die schweizweite Wiedereinführung der Polizeistunde erinnerte eher an zwinglianische Enthaltsamkeit als an wirkungsvollen Gesundheitsschutz. Dasselbe gilt für fix vorgegebene Abstandsregeln: Sie werden ziemlich frei interpretiert, solange die Infektionszahlen eine strikte Einhaltung nicht erforderlich erscheinen lassen. Vernunft lässt sich nicht verordnen – sonst ist sie keine mehr. Es ist klug vom Bundesrat, die Covid-Regeln nun mit Mut und Entschlossenheit auszumisten. Klar: Das bedingt viel Verantwortungsbewusstsein und Engagement auf allen Seiten. In der nächsten Espresso-Bar lässt sich gut besichtigen, wie das funktioniert. 7 Kommentare vor etwa 13 Stunden 13 Empfehlungen Also wer jetzt, mit Blick auf die Aufhebung der sogenannten "ausserordentliche Lage", vom Ende zwinglianischer Vorschriften schreibt, übertreibt doch etwas stark. Zwingli damals verbot und richtete, wie es ihm beliebte. Der BR verordnete und empfahl, was das Virus von ihm verlangte. Und zwar nur gefahrenbezogene Verordnungen und Empfehlungen. Zwingli hob das Schwert, der BR hob lediglich den Finger und bat um Aufmerksamkeit. Folgen der Aufklärung, eben. Die Freiheit des Grappas in der Espresso-Bar war nie in Gefahr. Der BR macht seinen Job gut. Und im grossen und ganzen ebenso die ganze Bevölkerung (Wirtschaft, Kultur, Gesellschaft). Gerade auch um Lethargie und Freudlosigkeit möglichst auszuschliessen. Aber auch um kollektive Sicherheit sicherzustellen. Natürlich ist es beruhigend, dass die Covid-Gefahr es nun erlaubt, dass die ausserordentliche Lage beendet werden kann. So, wie sie wieder ausgerufen werden könnte, sollte sich die Covid-Gefahrenlage wieder ändern. Denn noch fehlt die Impfung! vor etwa 12 Stunden 10 Empfehlungen Der BR schaut etwas eindimensional auf den Effekt dieser Lockerungen, und unterschätzt vor allem die psychologische Wirkung in der Bevölkerung. Er hofft, dass mit fortschreitenden Lockerungen jeder Einzelne umo mehr und resoluter die Hygiene-Empfehlungen, Massnahmen und Vorschriften einhalten wird. In der Realität ist jedoch das GEGENTEIL der Fall. Je mehr gelockert wird, desto mehr pfeifen die Leute auf die gebotenen Sicherheitsmassnahmen, fallen in alte, normale u. auch absolut nachvollziehbar unvorsichtigere Muster zurück. So entzieht sich der BR der unangenehm gewordenen Verantwortung, und schiebt sie in höhrem Masse dem Bürger zu, welchem er gleichzeitig gefährliche Sorglosigkeit suggeriert. Die hart erarbeiten Freiheiten für Einzelne und kleinere Gruppen sind dadurch eher gefährdet, als dass er sie nachhaltig schützt. Es bleibt zu hoffen, dass es trotzdem gut kommt. Denn der letzte Trumpf ist jetzt gespielt, und bei einem nochmaligem Kontrollverlust der Behörden bezüglich Fallzahlen ist äusserst fraglich, ob die Leute nochmal strengere Massnahmen akzeptieren würden. Zumindest in Anbetracht der zehntausenden von Demostranten ect. hätte man noch bis Anfangs Juli warten können, zumal die Fallzahlen ja wieder ansteigen und Experten vor noch mehr Lockerungen gewarnt haben. Nun denn, die Würfel sind gefallen. Etwas surreal mutet es jedenfalls schon an wenn man sich die explosionsartigen Ansteckungsraten weltweit anschaut. Etwas mehr Vorsicht hätte sicher nicht geschadet.